Nachwuchs, gerechte Vergütung, miteinander reden
Der neue Vorstand der KVBB ist seit 1. Januar 2023 im Amt. Wir wollten
von den drei Vorständen wissen, welche Schwerpunkte sie in
dieser Legislaturperiode setzen wollen und was als erstes
angepackt werden muss.
Catrin Steiniger, Vorsitzende des Vorstands
Welche Themen sehen Sie für die nächsten sechs Jahre als besonders wichtig an?
Die Themen ergeben sich aus den Herausforderungen dieser Zeit in einem Flächenland wie Brandenburg unter den gegebenen politischen Bedingungen. Wir haben bekanntermaßen einen zunehmenden Mangel an ärztlichem Nachwuchs, der auch außerhalb von Ballungszentren arbeiten will. Wir haben einen Mangel an Medizinischen Fachangestellten bei gleichzeitig gestiegenen Lohnkosten, und wir haben einen Mangel an „Arzt-Zeit“. Dadurch wird Delegation und Substitution notwendig, und neue Modelle in der ambulanten Versorgung müssen gefunden werden.
Ein weiteres Thema ist die geforderte und auch notwendige Verschmelzung von ambulant/stationär. Die Frage wird sein: Ist der niedergelassene Arzt/ Ärztin mit auf der Kommandobrücke oder wird er fremdbestimmt arbeiten?
In dem Projekt Modellregion Lausitz und dem geplanten Innovationszentrum Uni Cottbus sehe ich eine gute Chance, Verflechtung von ambulant und stationär zu optimieren und neue, innovative Versorgungsmodelle zu entwickeln. Dabei muss ein echter „Mehrwert“ in der Versorgung in der Region entstehen. Allerdings ist es wichtig, die ambulanten Kolleginnen und Kollegen von Anfang an gleichwertig im Projekt mitzunehmen und auch finanziell partizipieren zu lassen.
Gute ärztliche Leistung muss sich auch in Zukunft finanziell lohnen. Dazu bedarf es einer gerechten Vergütung. Inflationskosten von zehn Prozent und gestiegene Lohnkosten sowie Energiekosten passen nicht zu einer Steigerung des Orientierungswerts von zwei Prozent für 2023. Hier gilt es, zeitnahe und realistische Anpassungen seitens der KBV vom GKV-Spitzenverband zu erwirken und einzufordern und sich hier natürlich als KVBB einzubringen.
Was wollen Sie in den ersten 100 Tagen anpacken?
Zunächst möchte ich mich gründlich mit den Aufgabenbereichen der KVBB vertraut machen. Ich werde mich also intensiv in die bestehenden Aufgaben, Projekte, Geschäftsbereiche einarbeiten – und bin auch schon kräftig dabei.
Zusammen mit meinen Vorstandskollegen und der Präsidentin werden wir als ein Team zusammenwachsen und die Kommunikation zwischen Vorstand und den Kolleginnen und Kollegen der KVBB, aber natürlich auch mit den Ärztinnen und Ärzten, die wir vertreten, verbessern und unsere Arbeit transparenter darstellen.
Auf KBV-Ebene gilt es, als fachärztliches Vorstandsmitglied in den entsprechenden Arbeitskreisen die Umsetzung des §115b, e, f mitzugestalten und für den ambulanten Bereich für eine attraktive Honorierung des ambulanten Operierens zu kämpfen.
Die Förderung des ärztlichen Nachwuchses ist erklärtermaßen eine vordergründige Aufgabe. Hier müssen neue Finanzierungsmöglichkeiten mit den Krankenkassen verhandelt werden. Der Vorstand der KBV hat die ärztliche Nachwuchsgewinnung zum Leitthema seiner neuen Legislaturperiode nach der Wahl erklärt.
Wenn Sie dem Bundesgesundheitsminister einen Rat geben könnten, wie würde der lauten?
Ich sehe eine Vernachlässigung des ambulanten Sektors der medizinischen Versorgung durch das Bundesgesundheitsministerium.
Wir haben einen Trend zur Gesetzgebung ohne Einbeziehung der Selbstverwaltung, ohne Folgenabschätzung für die ambulante Versorgung der Bevölkerung und ohne entsprechende Förderung und Ausbau von ärztlichem Nachwuchs – beispielsweise das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz. Aber wir alle wissen, auch durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie, wie wichtig und unerlässlich der ambulante Sektor in der medizinischen Versorgung ist.
Also rate ich Herrn Prof. Lauterbach, sich der Sorgen und Probleme der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte anzunehmen und eine adäquate, den erbrachten Leistungen entsprechende Finanzierung sicherzustellen und vor allem erst einmal, die geleistete Arbeit anzuerkennen und auch zu würdigen.
Dr. Stefan Roßbach-Kurschat, Vorstand

Welche Themen sehen Sie für die nächsten sechs Jahre als besonders wichtig an?
Nach der Rückkehr zum Normalbetrieb nach Corona stehen vielfältigste Versorgungs- und berufspolitische Themen auf der Agenda. Das ambulante Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen. Ein wichtiges Thema ist die Nachwuchsgewinnung, da in den kommenden Jahren viele Kollegen der Generation Babyboomer in den Ruhestand gehen werden. Personalengpässe sind aber nicht nur auf die Ärzte beschränkt: Medizinische Fachangestellte und medizinisches Assistenzpersonal werden ebenfalls benötigt. Die Praxen stehen in Konkurrenz mit den Krankenhäusern und haben mit Personalfluktuation und Abwerbungen zu kämpfen. Deshalb gilt es, die Arbeit in der Ambulanz und der Praxis attraktiver zu machen. Eine Forderung muss die Ausfinanzierung aller medizinischen Leistungen sein. Der Substitution ärztlicher Tätigkeiten durch andere medizinische Berufsgruppen, wie Apotheker und Assistenzberufe, muss klar begegnet werden.
Die Verzahnung ambulant/stationär birgt Chancen für ambulante Player, leistungsgerecht und auf Augenhöhe mit Krankenhäusern medizinische Leistungen zu erbringen, die dann auch kostendeckend vergütet werden. Geld, das durch die Verlagerung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich eingespart wird, muss dann auch bei den ambulant tätigen Ärzten ankommen. Hier gilt es, eine Einbudgetierung in die allgemeinen Pauschalen zu verhindern. Große Bedeutung für alle Fachgruppen nimmt die Patientensteuerung und Compliance der Patienten ein. Hier sind Politik, Krankenkassen und Ärzte gleichermaßen gefragt.
Was wollen Sie in den ersten 100 Tagen anpacken?
Als neuer Vorstand haben wir uns als Ziel gesetzt, unsere Arbeit mit der Vertreterversammlung weiterzuentwickeln. Hierfür ist eine Klausur im März geplant. Wir möchten eine Transparenz unserer Arbeit und Vorhaben für unsere Ärztinnen und Ärzte sowie unsere Kolleginnen und Kollegen in der Selbstverwaltung schaffen. Eine gute Informationsbasis aller Beteiligten birgt neue Chancen der Ideenfindung und schafft die Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Ganz oben auf der To-do-Liste steht das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz und das ambulante Operieren. Hier müssen wir mit Adlersaugen verfolgen, ob der Leistung auch das Geld folgt. Eine Mehrarbeit in den Praxen muss zwingend honoriert werden.
Apropos Honorar: Offen sind weiterhin der angemessene geforderte Inflationsausgleich und die Forderung der Berücksichtigung der Mehrkosten insbesondere der energieintensiven Fachgruppen im EBM-Punktwert. Hier müssen wir weiter gegenüber den Kostenträgern, dem GKV-Spitzenverband, unsere Forderung bekräftigen und Nachdruck verleihen.
Wenn Sie dem Bundesgesundheitsminister einen Rat geben könnten, wie würde der lauten?
Eine Expertenkommission ohne Praktiker ist keine Expertenkommission, sondern leider nur ein Theorem. Wir versorgen in der realen Welt richtige Patienten. Der Minister wäre gut beraten, seine Entscheidungen vor Beschlussfassung auf Alltagstauglichkeit in einer Arztpraxis zu prüfen. Leider nur eine Vision.
Holger Rostek, Vorstand

Welche Themen sehen Sie für die nächsten sechs Jahre als besonders wichtig an?
Durch die Digitalisierung werden sich die Arbeitsabläufe und -bedingungen in unseren Arzt- und Psychotherapeutenpraxen, aber auch in der Verwaltung der KVBB weiter deutlich verändern.
Auf die Vorteile der Digitalisierung im medizinischen Kontext müssen wir uns (endlich) konzentrieren: Zusatznutzen bei der Diagnostik und Therapie sowie der Patientensteuerung schaffen und nicht die Verwaltungsvorgänge Dritter, beispielsweise Krankenkassen, optimieren. Digitalisierung muss Sie bei Ihrer Arbeit unterstützen und nicht behindern!
In der Verwaltung der KVBB haben wir in den vergangenen Jahren pandemiebedingt wenig Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht – unser Schwerpunkt lag bei den Testzentren, Impfzentren, Pandemiebekämpfung und Abrechnung von Bürgertests. Hier müssen wir dringend aufholen und die Vorteile der Digitalisierung in einer Verwaltung umsetzen. Ein modernes Mitgliederprotal mit deutlich mehr Funktionen und z.B. vereinfachten digitalen Antragsverfahren wird ein erster Schritt sein.
Was wollen Sie in den ersten 100 Tagen anpacken?
Es liegen viele Herausforderungen und Themen auf dem Tisch, die wir bearbeiten müssen. Ziel wird es sein, diese zu priorisieren und Schwerpunkte zu setzen. Dies natürlich gemeinsam mit den Mitgliedern der Vertreterversammlung, daher freue ich mich auf die gemeinsame Klausur Ende März.
Wenn Sie dem Bundesgesundheitsminister einen Rat geben könnten, wie würde der lauten?
Seine Entscheidungen und Äußerungen zu professionalisieren und mal diejenigen vorher zu fragen, die davon betroffen sind bzw. es in der Praxis umsetzen müssen. Dann würde viel Unsinn so nicht passieren.