Berufspolitik

„Das zusätzliche Honorar schmilzt wie Eis in der Sonne“

Vertreterversammlung der KVBB tagte

Bis 18 Uhr war die Sitzung der Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) am 29. September angesetzt. Diskutiert wurde dann jedoch bis kurz vor 21 Uhr. Es gab schließlich viele berufspolitische Themen zu besprechen. Vor allem, aber nicht nur, sorgte der Honorarabschluss auf Bundesebene für eine hitzige Debatte.

Catrin Steiniger, Vorsitzende der KVBB, erläuterte der VV die Einigung, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit den Krankenkassen im Erweiterten Bewertungsausschuss Mitte September getroffen hatte. Demnach steigen die Finanzmittel der ambulanten Versorgung für das nächste Jahr einschließlich der Morbiditätsrate um 3,85 Prozent. Das entspricht bundesweit einem Plus von 1,6 Milliarden Euro. Darüber hinaus wurde unter anderem vereinbart, dass Tarifänderungen bei Medizinischen Fachangestellten (MFA) künftig direkt, und nicht erst mit jahrelangem Verzug, in den Verhandlungen berücksichtigt werden.

Die KVBB-Chefin machte deutlich, dass sie mit dem Ergebnis alles andere als zufrieden ist: „Das zusätzliche Honorar schmilzt wie Eis in der Sonne! Weder die Inflation noch die stark gestiegenen Lohnkosten für unsere Praxisteams wurden berücksichtigt. Im Ergebnis haben wir weiterhin eine defizitäre Einkommenssituation für ärztliche und psychotherapeutische Praxen!“

Für die im November beginnenden Verhandlungen auf Landesebene warnte Frau Steiniger vor überzogenen Erwartungen: „Wir haben nur einen sehr kleinen Spielraum. Der Orientierungswert von 3,85 Prozent ist durch das Bundesergebnis vorverhandelt.“

Als einen „Schlag ins Gesicht der Ärzteschaft“ bezeichnete Dipl.-Med. Andreas Schwark, Hausarzt aus Bernau, den Honorarabschluss.

Dr. Stephanie Lenke, Allgemeinmedizinerin aus Senftenberg, forderte: „Wir brauchen endlich Planungssicherheit und eine auskömmliche Finanzierung!“

Mehrheitlich verabschiedete die VV eine Resolution, in der „sowohl das desaströse Verhandlungsergebnis zum Orientierungspunktwert als auch die Umstände des Zustandekommens auf das Schärfste“ verurteilt werden.

Gesetzespläne

Im weiteren Verlauf thematisierte die KVBB-Vorsitzende aktuelle Gesetzesvorhaben, die auch die ambulante Versorgung verändern werden. Zur geplanten Reform der Akut- und Notfallversorgung hatte die KVBB bereits im März eine Stellungnahme an das Brandenburger Gesundheitsministerium übermittelt. „Darin haben wir unter anderem gefordert, dass die Akutversorgung vornehmlich in Vertragsarztpraxen erfolgen muss. Integrierte Versorgungszentren, die rund um die Uhr geöffnet sind, lehnen wir ab. Und die Teilnahme am Bereitschaftsdienst darf nicht auf einzelne Fachgruppen beschränkt sein.“ Daher wertete Frau Steiniger es auch als Erfolg, dass in einer Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission zur Reform der Akut- und Notfallversorgung vom 7. September die Rolle der Vertragsarztpraxen anerkannt und übernommen wurde.

Darüber hinaus warf sie einen Blick auf das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, kurz KHVVG. Dazu gibt es mittlerweile einen ersten Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium. Kernfragen – wie die Leistungsgruppen und das Vorhaltebudget im Detail operationalisiert werden – sind darin aber noch nicht abschließend geklärt.

Aktuelle KVBB-Vorhaben

In ihrem Fazit erläuterte Frau Steiniger aktuelle berufspolitische Vorhaben,für die sich die KVBB verstärkt einsetzen will. Dazu zählen unter anderem:

  • Gesetzesinitiative der KVen zur Reform der Finanzierungsverhandlungen
    - Ausfinanzierung erbrachter Leistungen: keine Quotierung!
    - Vorhaltekosten-/Strukturkostenfinanzierung für Praxen und nicht nur für Krankenhäuser
    - Investitionsförderung in die ambulante Medizin
  • Stellung der MFA als Gesundheitsberuf stärken und entsprechende Einpreisung in den EBM und den Orientierungswert
  • Anerkennung Managementleistungen, Bürokratie- und IT-Anforderungen als Overhead- Kosten zusätzlich zu ärztlichen Leistungen in den EBM

Weiterbildungsförderung

Ein zentraler Punkt im Bericht von Dr. Stefan Roßbach-Kurschat, stellvertretender Vorsitzender der KVBB, war die Förderung der Weiterbildung gemäß § 75 a SGB V. Demnach sind durch die KV zu fördern:

  • die Kosten für die Zuschüsse für die ambulante Weiterbildung,
  • die Kosten für die Gemeinsame Einrichtung (GE),
  • die Kosten für das landesspezifische Kompetenzzentrum (KW) sowie
  • der KV-Finanzausgleich für die Allgemeinmedizin.

„Allein im vergangenen Jahr wurden in der Allgemeinmedizin insgesamt 275 Kolleginnen und Kollegen gefördert. In den übrigen Fachrichtungen waren es 102“, so Dr. Roßbach-Kurschat. „Wenn wir unseren Nachwuchs nicht fördern, dann zieht es die jungen Ärztinnen und Ärzte in andere Bundesländer – und sie kommen nicht mehr nach Brandenburg zurück.“

Die Förderung ist mit Kosten verbunden, die sich nicht mehr aus der aktuellen Weiterbildungsumlage von 0,43 Prozent finanzieren lassen. 1,6 Millionen Euro muss die KVBB 2023 aus Betriebsmittelrücklagen zuschießen. Um die Förderung jedoch auch künftig auf einem hohen Niveau halten zu können, beschloss die VV mit großer Mehrheit die Weiterbildungsumlage auf 0,54 Prozent zu erhöhen.

Telemedizin

Nicht zum ersten Mal wurde die Telemedizin bzw. die Fernbehandlung in der VV diskutiert. Die Landesärztekammer Brandenburg hält die ausschließliche Fernbehandlung berufsrechtlich nur in Ausnahmefällen für zulässig. Die Kammer beruft sich dabei vor allem auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. September 2019. Demnach verstößt eine Diagnosestellung aus der Ferne ohne unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt grundsätzlich gegen die rechtlich gebotene ärztliche Sorgfalt.

Dr. Roßbach-Kurschat stellte diese strikte Ablehnung infrage, denn: „Nach den Vorgaben des EBM ist für die Videosprechstunde berufsrechtlich eine ausschließliche Fernbehandlung ausgeschlossen und darf nicht abgerechnet werden. Die strikte Ablehnung führt jedoch dazu, dass unsere Kolleginnen und Kollegen einige Vergütungen nicht abrechnen können. Gleichzeitig ermöglichen teleklinische Plattformen Brandenburger Patienten, sich von Vertragsärzten außerhalb des Landes behandeln zu lassen. Diese bezahlen wir dann aus unseren Honorarmitteln über den Fremdkassenzahlungsausgleich. Wir haben also einen doppelten Nachteil!“

Dr. Hanjo Pohle, Allgemeinmediziner aus Rathenow, zeigte nur wenig Verständnis für diese Sichtweise: „Wir haben das doch alles lang und breit in der Kammer diskutiert und uns für unsere stringente Regelung entschieden.“ Dem erwiderte Yvonne Dashti, Allgemeinmedizinerin aus Eberswalde: „Warum tun wir uns eigentlich so schwer mit dem Thema? Haben wir Angst, dass wir nur noch vor der Webcam oder am Telefon hängen?“ Final ausdiskutiert wurde das Thema nicht und wird die KVBB und auch die Landesärztekammer sicherlich noch weiter begleiten.

Digitalisierung

Holger Rostek, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVBB, berichtete der VV von einem intensiven zweitägigen Arbeitsaustausch mit Sebastian Zilch, Unterabteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium und zuständig für die Themen gematik, Telematikinfrastruktur und eHealth. „Wir haben die zwei Tage genutzt, um Herrn Zilch tiefe Einblicke in die täglichen Praxis-Herausforderungen von Anwendungen wie dem eRezept oder der eAU zu geben. Das war ein guter Besuch, bei dem wir unsere Sichtweisen und Forderungen direkt bei einem politisch Verantwortlichen platzieren konnten.“

Darüber hinaus gab Herr Rostek der VV einen ersten Überblick über das geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG), von dem aktuell ein erster Kabinettsentwurf vorliegt. Mit dem GDNG sollen Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen werden. „Erst durch das Zusammenführen von Daten aus unterschiedlichen Quellen lassen sich viele Versorgungsund Forschungsfragen beantworten“, so der KVBB-Digitalisierungsvorstand. „Abrechnungsdaten geben einen breiten Überblick über Pfade durch die unterschiedlichen Versorgungsbereiche und einen Einblick in diverse Krankheitsbilder. Genomdaten und Daten der klinischen Krebsregister erlauben tiefergehende Informationen zu spezifischen Behandlungen eines Krankheitsbildes. Nur durch die Verknüpfung dieser Daten ergibt sich ein vollständiges Bild des Behandlungsverlaufs und der Kontextfaktoren. Davon profitieren am Ende nicht nur Forschung und Industrie, sondern vor allem auch die Krankenkassen. Ihre ärztliche Arbeit wird für die Kassen transparent.“

Das GDNG wie auch das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) werden auch in den kommenden Vertreterversammlungen eine Rolle spielen.