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Teamplayer statt Einzelkämpfer

Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg lud erstmals zum Tag der angestellten Ärztinnen und Ärzte ein

Schild mit der Aufschrift "Willkommen im Team!"

Anstellungen liegen im Trend: Immer mehr Ärztinnen und Ärzte bevorzugen statt der klassischen Einzelpraxis die Anstellung – sei es in einem MedizinischenVersorgungszentrum (MVZ) oder in derPraxis einer Kollegin oder eines Kollegen.Auch Brandenburg macht da keine Ausnahme. Deshalb lud die KassenärztlicheVereinigung Brandenburg (KVBB) jetzterstmals am 12. Oktober zum Tag derangestellten Ärztinnen und Ärzte ein.

Knapp 30 Ärztinnen und Ärzte kamen dafür ins Haus der Brandenburgischen Ärzteschaft nach Potsdam. Sie erwartete ein abwechslungsreiches Programm, gespickt sowohl mit berufspolitischen Informationen und Diskussionen als auch mit Fachwissen für den Arbeitsalltag.

Die KVBB zeichne ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal aus, sagte Dr. Anke Speth, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in der Poliklinik Rüdersdorf und Präsidentin der KVBB-Vertreterversammlung, zur Begrüßung. Die Brandenburger sei die einzige Kassenärztliche Vereinigung bundesweit, in der eine Angestellte an der Spitze der Vertreterversammlung stehe.

Sie nutzte das Podium sogleich, um eine Lanze nicht nur für die ärztliche Selbstverwaltung im Allgemeinen, sondern für die KVBB im Speziellen zu brechen. Die Angestellten müssten in den verschiedenen Gremien der KVBB noch präsenter werden. Sie rief die Teilnehmenden auf, sich aktiv einzubringen und zu engagieren: in der Vertreterversammlung, dem Fachausschuss oder den Regionalbeiräten.

Die ärztliche Selbstverwaltung sei ein Privileg, etwas Besonderes, das bewahrt werden müsse, sagte auch Dr. Ina Martini. Die Vorsitzende des Beratenden Fachausschusses angestellte Ärzte der KVBB betonte, dass dafür auch das Engagement der angestellten Kolleginnen und Kollegen gebraucht werde. Mischen Sie sich ein, sprechen Sie uns an, benennen Sie Probleme, warb die Fachärztin für Innere Medizin.

Ihre Sicht auf Medizinische Versorgungszentren erläuterten in der anschließenden Gesprächsrunde unter anderem Dr. Milena Schaeffer-Kurepkat, Hausärztin und ärztliche Direktorin des Gesundheitszentrums Brandenburg in Brandenburg/Havel, dieKVBB-Vorsitzende und MVZ-Mieterin,  Catrin Steiniger, sowie Dr. Tobias Kroggel,Gründer und ärztlicher Leiter des MVZ Alte Poliklinik in Lauchhammer.

Das Recht auf einen geregelten Arbeitstag, die Möglichkeit in Teilzeit zu arbeiten und damit die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Arbeit in einem Netzwerk sprächen für die Tätigkeit in einem MVZ, sagte Dr. Schaeffer-Kurepkat. Sie kritisierte jedoch, dass es für ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte keine Tarifverträge gebe. Arbeitsverträge müssten deshalb bei jeder Neueinstellung neu verhandelt werden, was sehr zeitaufwendig sei.

KVBB-Chefin Steiniger ist als Fachärztin für Urologie niedergelassen. Mit ihrer Praxis hat sie sich in Lübbenau jedoch in das MVZ eingemietet. Das sei praktisch für sie, weil sie so die gesamte technische Infrastruktur und Logistik der Einrichtung nutzen könne. Die Zeit und Arbeitskraft, die eine Einzelpraxis beispielsweise für das Management der Wasser-, Stromund Wärmeversorgung aufwenden muss, komme in ihrer Praxis den Patientinnen und Patienten zugute, so Frau Steiniger.

Das Gesundheitswesen ist im Wandel. Die Frage, ob er abwartet, was dabei passiert oder die Ärmel hochkrempelt und loslegt, hat Dr. Kroggel für sich klar beantwortet: In Lauchhammer hat er ein hausärztlichinternistisches MVZ gegründet. Der Vorteil für ihn: Im Team mit drei Kolleginnen und dem nicht-ärztlichen Praxispersonal lasse sich die Arbeit besser einteilen. Zu Stoßzeiten sind die Sprechstunden doppelt besetzt, bei Urlaub oder Krankheit ist die Vertretung direkt im Haus – Patientinnen und Patienten müssen nicht woanders hin. Und der ärztliche Jungunternehmer hat weitere Pläne. Er möchte kurzstationäre Therapieangebote machen, etwa eine Tagesklinik aufbauen.

Für die Praxis

Der Diskussionsrunde schloss sich eine Reihe von Fachvorträgen zu den Themen Verordnungen, Bereitschaftsdienst, dem Beziehungsdreieck von KV-Arzt und MVZ sowie zu Rechten und Pflichten von angestellten Ärztinnen und Ärzten als KVMitglieder an.

Ob Arzneimittel oder Heilmittel – bei Verordnungen gelten für angestellte Ärztinnen und Ärzte die gleichen Vorgaben und Regelungen wie für die Niedergelassenen auch, erläuterte Mandy Albertziok, Fachbereichsleiterin Mitgliederservice der KVBB. Auch die Angestellten müssten sich an das Wirtschaftlichkeitsgebot halten. Das heißt, alle verordneten Leistungen müssten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

Einen wichtigen Unterschied gibt es bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dabei würden zwar die Verordnungen eines einzelnen angestellten Arztes bzw. einer Arzt(Fach-)gruppe geprüft, aber weil diese im Namen des MVZ ausgestellt wurden, sei dieses der eigentliche „Prüfling“, so Frau Albertziok. Für den Fall einer Nachforderung werde deshalb auch das MVZ bzw. die ärztliche Leitung angeschrieben.

Ähnlich sei es auch im Bereitschaftsdienst, erklärte Ulrike Keller, Fachbereichsleiterin KV RegioMed. Angestellte Ärztinnen und Ärzte können natürlich Bereitschaftsdienste in Brandenburg übernehmen, die Verantwortung für die Sicherstellung der Dienste liege jedoch laut Bereitschaftsdienstordnung bei der anstellenden Einrichtung.

Für angestellte Ärztinnen und Ärzte gälten deshalb auch Besonderheiten bei der Dienstplanung über die Buchungssoftware BD online, so Frau Keller. Während Niedergelassene ihre Dienste darin eigenständig buchen können, sei dies für Angestellte nur nach Freigabe ihrer ärztlichen Leitung möglich. Diensttausche oder ‐abgaben dürfe nur die Einrichtung vornehmen. Die automatische Dienstzuteilung erfolgt auch nicht direkt an den Angestellten, sondern ebenfalls an die Einrichtung.

Rechte und Pflichten

Dr. Schaeffer-Kurepkat kritisierte in ihrem Vortrag, dass MVZ einerseits den zulassungsrechtlichen Regularien der vertragsärztlichen Versorgung unterliegen, andererseits aber weder die Einrichtung noch die Geschäftsführung Mitglied in der KV seien. Dies berge Konfliktpotenzial: Etwa, wenn die Konsequenzen bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise oder fehlender Fortbildung nicht nur den einzelnen Angestellten, sondern das gesamte MVZ treffen. Oder wenn bestimmte vertragsrechtliche Regelungen, zum Beispiel zu Elternzeit oder Sprechstundenzeiten, in Teilen nicht deckungsgleich mit dem Vertragsarztrecht sind. Eine Harmonisierung der verschiedenen rechtlichen Vorgaben sei deshalb anzustreben, so Dr. Schaeffer- Kurepkat.

Die vertragsarztrechtlichen Pflichten der Angestellten als KVBB-Mitglieder, erläuterte abschließend Roland Kiesche, Geschäftsbereichsleiter Qualitätssicherung/ Sicherstellung: Mindestsprechstunden, Fortbildungspflicht, telefonische Erreichbarkeit, Versorgung von Akutfällen, Terminmeldungen an die Terminservicestelle und alle anderen wesentlichen Regelungen aus dem Sicherstellungsstatut der KVBB.

Aber, und da schlug Herr Kiesche den inhaltlichen Bogen zur Begrüßung durch die VV-Präsidentin am Morgen, als KVBB-Mitglieder hätten angestellte Ärztinnen und Ärzte nicht nur Verpflichtungen, sondern  auch Rechte und Möglichkeiten die ärztlicheSelbstverwaltung mitzugestalten. Das Recht, in den Gremien der KVBB mitzuarbeiten. Das Recht, zu wählen oder sich selbst zur Wahl zu stellen: für die Vertreterversammlung oder den Regionalbeirat.

Wiederholung erwünscht

Die KVBB-Vorstandsvorsitzende Steiniger sprach am Ende der Veranstaltung von einer gelungenen Premiere. Sie habe während des Tages bereits eine Liste mit Themen für eine mögliche Folgeveranstaltung im kommenden Jahr begonnen. Eine Fortsetzung des Tags der angestellten Ärztinnen und Ärzte ist also nicht ausgeschlossen.

Ärztliche Arbeitswelt ändert sich

Stimmen zum Tag der angestellten Ärztinnen und Ärzte

Dr. med. Anke Speth, Präsidentin der VIII. Vertreterversammlung
© KVBB

Wie hat Ihnen der Tag gefallen?

Wir hatten eine sehr rege Diskussion, was bedeutet, dass die gewählten Themen sehr praxisrelevant waren. Daneben hat mir gefallen, dass wir angestellte Ärztinnen und Ärzte aus sehr unterschiedlicher Motivation begrüßen konnten. Teilnehmende waren z. B. bereits langjährig angestellte Ärzte, Leitende Ärztinnen von MVZ, aber auch Kolleginnen und Kollegen, die erst darüber nachdenken, ob eine Anstellung für sie eine Option wäre.

Ich bin sehr dankbar, dass mit dieser Premiere angestellten Ärztinnen und Ärzten Raum für ihre Fragen, aber auch eine Stimme gegeben wurde. Darüber hinaus bedeutet es für mich auch Wertschätzung für von angestellten Ärztinnen und Ärzten geleistete Arbeit, dass es diesen Tag gab.

Warum sollte dies keine einmalige Veranstaltung bleiben?

Im Rahmen der Vorab-Abfrage zur Vorbereitung des Termins sowie während der Diskussion wurde eine Reihe von Themen identifiziert, die zum Teil ausschließlich, zum Teil überwiegend angestellte Ärztinnen und Ärzte betreffen. Das gewählte Format eines Tages der angestellten Ärztinnen und Ärzte ließe sich gut nutzen, um diese Themen weiter zu bearbeiten. Diese Veranstaltung könnte so dazu beitragen, noch mehr angestellte Ärztinnen und Ärzte zu erreichen und ihnen die Instrumente der Selbstverwaltung, auch als Unterstützung für ihre eigene ärztliche Tätigkeit, nahe zu bringen 

Dr. Anke Speth, Präsidentin der KVBB-Vertreterversammlung

Dr. Ina Martini, Wissenschaftliche Leitung des Tags der angestellten Ärztinnen und Ärzte
© privat

Wie hat Ihnen der Tag gefallen?

Alle Kassenärztinnen und -ärzte in Deutschland, ob ambulant angestellt oder selbstständig, sind Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung. Wir haben in Deutschland das Privileg der ärztlichen Selbstverwaltung und sind organisiert in den Ärztekammern und in den KVen. Um unsere Interessen und Arbeitsbedingungen zu gestalten, müssen auch wir ambulant angestellt tätigen Ärztinnen und Ärzte uns in die Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung einmischen. Wir haben diese Möglichkeiten auf dem Tag der Angestellten gut dargestellt.

Warum sollte dies keine einmalige Veranstaltung bleiben?

Unsere ärztliche Arbeitswelt verändert sich. Bereits jetzt arbeiten in Brandenburg 36 Prozent der ambulant tätigen Kolleginnen und Kollegen in einem Angestelltenverhältnis.  MVZ wurden als das erste Überschreiten der Sektorengrenzen bezeichnet. Aber nicht die MVZ, sondern die dort angestellten Kolleginnen und Kollegen  sind Mitglied der kassenärztlichen Selbstverwaltung. Nur sie können in den Gremien die Zukunft der ärztlichen Selbstverwaltung mitgestalten. Mit dem Tag der angestellten Ärztinnen und Ärzte an der KVBB ist ein Beginn zu einem neuen Verständnis einer sich ändernden ärztlichen Arbeitswelt getan. Dieses Verständnis gilt es zu etablieren.

Dr. Ina Martini, Wissenschaftliche Leitung
des Tags der angestellten Ärztinnen und Ärzte